Von Georg Eckelsberger und Sahel Zarinfard
23.05.2019

„Glock“, „Glock“, „Glock“, „Glock“, „Glock“, „Glock“: Insgesamt elfmal nennen die mittlerweile zurückgetretenen FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus den Namen des milliardenschweren Waffenproduzenten in den bisher öffentlich bekannten Ausschnitten des verhängnisvollen Ibiza-Videos.

Sie nennen Namen von prominenten Industriellen, die verdeckt Spenden an die FPÖ geleistet haben sollen – vorbei an der Kontrolle des Rechnungshofs, über einen gemeinnützigen Verein – wie eben Gaston Glock. Nun soll aber nichts gewesen sein, alles nur Prahlerei, „a bsoffene Gschicht“, erklärte Strache bei seiner Rücktrittsrede. Alle Beteiligten dementieren jedweden Geldfluss. Dabei reichen die Beziehungen zwischen der FPÖ und Glock weiter, ihre Wurzeln liegen tief in der Vergangenheit.

Das letzte dokumentierte Treffen zwischen Strache und dem Ehepaar Kathrin und Gaston Glock vor jener Ibiza-Nacht im Juli 2017 lag allerdings nicht lange zurück: Nur fünf Wochen bevor Strache und Gudenus in der Finca in die Falle tappen, ist der damalige FPÖ-Chef Strache beim Waffenproduzenten Glock zu Gast. In Begleitung seiner Frau Philippa feiert Strache Mitte Juni 2017 bei einer der exklusivsten Partys des Landes. Unter dem Motto Horses & Stars begehen die Glocks mehrmals im Jahr luxuriöse Feste in ihrem Glock Horse Performance Center in der kleinen Kärntner Gemeinde Treffen am Ossiacher See.

Screenshot: Facebook-Seite von Heinz-Christian Strache, zuletzt abgerufen am 22.5.2019

Wie DOSSIER im Herbst 2018 berichtete, gehen bei den rauschenden VIP-Partys der Glocks neben Hollywoodstars wie John Travolta oder Chuck Norris seit Jahren auch FPÖ-Politikerinnen und -Politiker ein und aus. Über Jahre offiziell und im medialen Blitzlichtgewitter – doch seit die FPÖ in der Regierung war, wurde stets still und heimlich gefeiert. Anwesende Boulevardfotografen erhaschten plötzlich kein Foto mehr.

Drei Minister für Glock

Neben Heinz-Christian Strache waren noch die einstige Sozialministerin Beate Hartinger-Klein und Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer (beide FPÖ) bei den Glock-Partys zu Gast. Natürlich dinierte man am Tisch der Gastgeber, im Beisein der eingeflogenen Stars. Die Eintrittskarten – 450 Euro für die Abend-, 700 Euro für die Tageskarte und ein nicht bezifferbarer Wert für den wichtigsten Tisch des Abends – haben die Politiker angeblich privat bezahlt. Belege dafür legten sie trotz Zusage bis dato nicht vor.

Aus heutiger Sicht ist ohnehin ein anderer Umstand brisanter: Nur zwei Monate nachdem der damalige Verkehrsminister Norbert Hofer im Februar 2018 am Ehrentisch der Glocks gefeiert hatte, verschaffte er der Milliardärsgattin Kathrin Glock trotz fragwürdiger Qualifikation einen öffentlichen Posten.

Screenshot: Facebook-Seite von Norbert Hofer, zuletzt abgerufen am 22.5.2019

Im April 2018 wird Kathrin Glock Aufsichtsrätin der Flugbehörde Austro Control. Dabei ist ihre Erfahrung in der Flugbranche begrenzt: Sieben Monate zuvor wird sie Ko-Geschäftsführerin der Glock Aviation GmbH, über die Gaston Glock von Klagenfurt aus drei Bombardier-Privatjets und einen Helikopter betreibt – ihr einzig öffentlich bekannter Berührungspunkt mit der Luftfahrtsbranche. Handelte es sich bei der Postenvergabe gar um eine vereinbarte Gegenleistung der FPÖ gegenüber Glock? „Nein. Das schließe ich definitiv aus“, sagt Hofer auf Anfrage gegenüber DOSSIER.

„Mir ist keinerlei finanzielle Zuwendung der Firma Glock oder von Privatpersonen aus der Familie Glock bekannt – auch auf den mir vorgelegten Spendenlisten der Partei scheinen keinerlei Zuwendungen auf. Zudem wurde bereits vom Anwalt der Firma Glock (Peter Zöchbauer, Anm.) ausgeführt, dass es keine finanziellen Zuwendungen gegeben hat. Unabhängig davon werde ich als neuer Parteiobmann die Finanzen der Partei und ihr nahestehender Vereine einer strengen Prüfung unterziehen lassen“, so Hofer weiter.

Auch die FPÖ-nahen Vereine „Austria in Motion“ und „Wirtschaft für Österreich“, die durch Berichte von Profil und ZiB 2 in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt sind, will Hofer nun unter die Lupe nehmen: „Die Vereinsverantwortlichen haben mir gegenüber ausgeschlossen, dass es Zuwendungen der Firma Glock oder von Privatpersonen der Firma Glock an diese Vereine gegeben hat. Auch ,Austria in Motion‘ und ,Wirtschaft für Österreich‘ werden einer strengen Prüfung unterzogen. Ich werde mir die Prüfergebnisse vorlegen lassen.“

Korruptionsstaatsanwaltschaft prüft

Bereits im Herbst 2018, nach der Veröffentlichung der DOSSIER-Recherchen, prüfte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSta) die Besuche der drei FPÖ-Minister bei den Glocks. Auslöser für die Prüfung war eine Sachverhaltsdarstellung, die der Bundesrat David Stögmüller (Grüne) eingebracht hatte.

Doch die Justiz entschied im Jänner 2019, keine Ermittlungen einzuleiten, „weil kein Anfangsverdacht“ bestanden habe, wie die WKStA schriftlich mitteilt. Die Frage, welche konkreten Schritte gesetzt wurden, um den Anfangsverdacht zu prüfen, lässt die Sprecherin der Korruptionsstaatsanwaltschaft offen. Das Ergebnis der Prüfung, das die WKStA der Oberstaatsanwaltschaft übermitteln muss, ist öffentlich nicht zugänglich.

Nun wirft die Ibiza-Affäre ein neues Licht auf die Causa: „Damals war keine Gegenleistung der Glocks ersichtlich oder beweisbar“, sagt Stögmüller. „Aber jetzt wird die Verbindung immer klarer. Strache sagt ganz offen, dass Glock gespendet hat. Und kaum war die FPÖ in Regierungsverantwortung, hat sie ohne ersichtlichen Grund Kathrin Glock in den Aufsichtsrat der Austro Control gehoben.“

Bereits einen Tag nach der Veröffentlichung des Videos reicht Stögmüller erneut eine Sachverhaltsdarstellung bei der WKStA ein. „Inwieweit sich aus den derzeit vorliegenden Sachverhalten eine Änderung der damaligen Einschätzung ergibt, wird derzeit geprüft“, so eine Sprecherin der WKStA auf DOSSIER-Anfrage.

Der Mann mit der Glock

Es ist nicht das erste Mal, dass Gerüchte über verdeckte Parteispenden von Glock an die FPÖ die Runde machen. Geldflüsse wurden nie nachgewiesen, die Verbindungen zwischen der FPÖ und Glock reichen jedoch bis in die Ära von Jörg Haider zurück.

Im Jahr 2000 flog Jörg Haider mit Gaston Glock in dessen Privatjet nach Moskau, um Verhandlungen zum Ankauf von Abfangjägern zu führen. Seit Jahren kämpft die FPÖ politisch für ein liberales Waffenrecht.

Privat outen sich immer wieder FPÖ-Spitzenleute als Waffenfans: etwa im August 2016 der damalige geschäftsführende Klubobmann Johann Gudenus oder im März 2016 der damalige Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer. Beide setzen auf das österreichische Erzeugnis: „Der Mann mit der Glock“, betitelte die deutsche Wochenzeitung Die Zeit damals ein Porträt über Norbert Hofer.