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Mehr erfahren …Von Sahel Zarinfard
17.6.2020
Masken sind über aller Munde. Die wohl sichtbarste Maßnahme im Kampf gegen die Corona-Pandemie hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) schon Ende März im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt: „Wir werden auf das Tragen von Masken in Supermärkten setzen“, sagte der Kanzler – und bedankte sich vorab bei den großen Supermarktketten: Immerhin würden sie dabei helfen, den Mund-Nasen-Schutz (MNS) an die Bevölkerung zu verteilen.
Mit den großen Ketten sind insbesondere Hofer, Spar und die Rewe-Gruppe gemeint. Letztere betreibt landesweit mit Billa, Bipa, Merkur, Penny und Adeg rund 2.400 Supermarktfilialen. Während Hofer und Spar fortan gratis Masken an Kundinnen und Kunden verteilten, schlug Rewe einen anderen Weg ein: Man verkaufte die Masken, drei Stück für drei Euro. Dass Rewe überhaupt Geld verlangte, sorgte bereits für Schlagzeilen. DOSSIER-Recherchen zeigen nun auch ein anderes Problem auf: Die Herstellerangaben auf den Rewe-Masken sind irreführend.
Denn auf der Verpackung der verkauften Masken wird die Wiener Firma Orthoben als Hersteller angegeben. Mit der Produktion der Masken hat sie jedoch nichts zu tun. Der wahre Hersteller – die Ningbo Hyseas Textile Co Ltd. – sitzt in China.In Österreich angekommen, lässt Rewe diese Masken von Orthoben umverpacken. Dabei verschwindet der chinesische Produzent von der Verpackung, auf dem Etikett steht nunmehr Orthoben als „Hersteller“.
Warum werden Konsumentinnen und Konsumenten in dem Glauben gelassen, Masken aus österreichischer Produktion zu kaufen?
Orthoben verweist auf DOSSIER-Anfrage auf den Auftraggeber: „Wir dürfen Sie ersuchen, sich mit Ihrer Anfrage direkt an die Firma Rewe zu wenden.“ Rewe wiederum beruft sich auf das Produktsicherheitsgesetz, dem zufolge die Herstellerangabe aufgrund von Haftungsfragen geändert werden kann: „Aus Sicht der Gewährleistung von Sicherheit und Qualität erscheint es richtig und sinnvoll, dass der Hersteller in Österreich sitzt, denn mit der Herstellereigenschaft geht konsequenterweise auch die Verantwortung einher, die Herstellerpflichten zu erfüllen – es ist somit aus unserer Sicht rechtlich in Ordnung, dass Orthoben als Hersteller angegeben ist“, sagt Rewe-Sprecher Paul Pöttschacher.
So eindeutig dürfte die Sache allerdings nicht sein. Juristinnen der Wirtschaftskammer Österreich und der Arbeiterkammer Wien sehen auf DOSSIER-Anfrage möglichweise eine irreführende Geschäftspraktik – Rewe könnte gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstoßen haben. Das UWG untersagt in Paragraf 2 („irreführende Geschäftspraktik“) jede irreführende Angabe über den Ursprung von Waren. „Die Sektion Konsumentenpolitik im Sozialministerium hat aus Anlass der Anfrage von dossier.at Kontakt mit den genannten Unternehmen aufgenommen und wird den Sachverhalt im Hinblick auf das Vorliegen einer unlauteren Geschäftspraktik prüfen“, sagt eine Sprecherin des Ministeriums. Es wäre nicht das erste Mal, dass Rewe nach dem UWG belangt würde.
Die konzerneigene Billa Aktiengesellschaft wurde im August 2015 vom Obersten Gerichtshof (OGH) wegen irreführender Geschäftspraktik verurteilt (Geschäftszahl 4Ob121/15w).
In dem Fall ging es um geräucherte Forellenfilets, die Billa unter dem Label seiner Eigenmarke verkaufte. Auf der Vorderseite der Verpackung war zu lesen: „In Österreich über feinem Buchenholz geräuchert. HACCP und IFS-zertifizierter österreichischer Familienbetrieb“. Tatsächlich wurden die Filets in Österreich geräuchert und verpackt, allerdings stammten die Fische aus italienischer Aquakultur.
Sowohl das Berufungsgericht als auch der OGH hielten fest, dass: „der blickfangartige Hinweis auf den österreichischen Familienbetrieb im Sinne des § 2 UWG irreführend sei, weil damit eine Täuschung des Publikums über die Herkunft der Fischteile sehr wahrscheinlich gemacht werde. Der Hinweis auf der Rückseite der Verpackung, wonach der Fisch aus Italien stammt, sei nicht geeignet, diese Irreführung aufzuheben.“
„In dem Beispiel der Räucherforelle aus dem Jahr 2015 gab es ein Gerichtsurteil, dem wir nachgekommen sind. Wir haben die Verpackung umgehend geändert und die Herkunft (Italien) der Forellen, die auf der Rückseite des Produkts angegeben war, gut sichtbar auf der Vorderseite angebracht“, schreibt Konzernsprecher Pöttschacher auf Anfrage.
Dass Rewe für seine Masken überhaupt Geld verlangte, stieß vielerorts auf Kritik. Denn ein Erlass des Sozialministeriums sah vor, dass sie eigentlich kostenfrei zur Verfügung gestellt werden sollten. Bei einer erneuten Pressekonferenz der Bundesregierung Anfang April zur Maskenpflicht in Supermärkten wurde auch der Kanzler darauf angesprochen: „Wir werden hier sehr genau kontrollieren, dass maximal der Selbstkostenbeitrag verrechnet wird und kein Gewinn erzielt werden kann“, so Kurz.
Über die Höhe der Selbstkosten will man bei Rewe auf DOSSIER-Anfrage keine Angaben machen. Nur so viel: „Wir möchten festhalten, dass wir die Anweisung vom Bundeskanzler befolgt haben und der MNS von uns zum Selbstkostenpreis abgegeben wird, und wir haben den Preis für die Dreier-Packung MNS bereits zweimal gesenkt. Der Kostenbeitrag bildet dabei nicht einmal unsere Selbstkosten aus Einkaufspreis, Transport- und externen Handling-/Verpackungskosten ab. Wir verdienen daran keinen Cent, und daher erzielen wir damit auch keinen Gewinn.“
Und wie prüft die Bundesregierung, dass kein Gewinn durch den Verkauf von Masken erzielt wird? „Zu behördlichen Prüfungen äußern wir uns grundsätzlich als Bundeskanzleramt nicht“, sagt ein Sprecher des Kanzlers. Es bleibt wohl weiterhin offen. Zumindest dürfte der Verkauf von MNS-Masken in Supermärkten bald zurückgehen: Mit 15. Juni müssen diese dort nicht mehr getragen werden.
Um die fragwürdigen Methoden der Handelsriesen wird es auch im kommenden DOSSIER-Magazin gehen – ebenso um die öffentlichkeitsscheuen Eigentümer, den Druck auf Angestellte und Lieferanten, die grassierende Aktionitis und die Phänomene Eigenmarken und Bio. Erscheinen wird das neue DOSSIER-Magazin im Herbst 2020 und ist ab sofort im Vorverkauf erhältlich.